10. Juni 2024
Ist New Work psychologisches Empowerment?
„New Work“ ist mittlerweile zu einem Buzzword geworden, das regelmäßig in den Medien auftaucht. Geht es um New Work, wird häufig davon gesprochen, dass in einem Unternehmen ein Umbau zu einem Open-Space-Büro vorgenommen wird, mehr agiles Projektmanagement eingeführt werden soll oder Hierarchieebenen entfernt werden, um die Autonomie von Beschäftigten zu erhöhen. Bei solchen Maßnahmen sprechen wir von strukturellem Empowerment – also der „Ermächtigung“ oder auch der „Befähigung“ von Beschäftigten durch die Erhöhung ihrer Entscheidungs- und Machtbefugnisse. Was dabei allerdings häufig vergessen wird, ist der Blick „ins Innere“. Denn die Forschung zeigt: Autonomie hat zwar positive Konsequenzen, allerdings nur bis zu einer gewissen Grenze. Eine hohe Autonomie kann zu Überforderung führen und somit einen Stressauslöser für Beschäftigte darstellen. Wie hoch diese Grenze liegt, ist sehr individuell. Daher lohnt es sich statt des strukturellen Empowerments das psychologische Empowerment in den Fokus der Betrachtung zu rücken, wenn es um New Work Maßnahmen geht.
Was ist also das psychologische Empowerment?
Unter dem psychologischen Empowerment versteht man in der Arbeitspsychologie das Gefühl, eine hohe, aus dem Inneren angetriebene Motivation für die eigenen Arbeitsaufgaben zu haben und den Arbeitskontext aktiv zu mitzugestalten. Das psychologische Empowerment umfasst laut Gretchen Spreitzer vier Dimensionen – oder auch arbeitsbezogene Wahrnehmungen: Einfluss, Kompetenz, Selbstbestimmung und Bedeutsamkeit. Um sich psychologisch empowert zu fühlen, ist jede vier Dimensionen des psychologischen Empowerments essenziell.
Einfluss („Ich verändere“)
Bei dieser Dimension des psychologischen Empowerments geht es darum, das Gefühl zu haben, die Arbeit selbst aktiv mitgestalten zu können und sie nicht nur über sich selbst ergehen lassen zu müssen. Das ist dann der Fall, wenn Beschäftigte durch ihr Verhalten etwas in der Umwelt bewirken. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Teammitglied ihrer Führungskraft einen Hinweis gegeben hat, dass ein Prozess nicht optimal verläuft, die Führungskraft ihr zuhört und eine Anpassung des betreffenden Prozesses vornimmt.
Kompetenz („Ich kann“)
Die Dimension Kompetenz bezeichnet das Gefühl, wenn Beschäftigte davon überzeugt sind, ihre Arbeitsaufgaben mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten gut ausführen zu können und dabei weder über- noch unterfordert zu sein. Das heißt, dass Aufgaben in einem bewältigbaren und angemessenen Maß herausfordernd sind.
Selbstbestimmung („Ich darf“)
Diese Dimension beschreibt das Gefühl, bei der Arbeit selbst über Arbeitsaspekte bestimmen zu können. Dazu kann beispielsweise gehören, den eigenen Tagesablauf frei planen zu können oder selbst über die Arbeitsmittel für eine Aufgabe entscheiden zu können. Auch die Bedingungen, ob Beschäftigte selbst Einfluss darauf haben, mit wem und wo sie arbeiten, gehört hierzu.
Bedeutsamkeit („Ich will“)
Unter dieser Dimension wird die Wahrnehmung von Sinnhaftigkeit bei der Arbeit verstanden. Darunter können verschiedene Stufen der Sinnhaftigkeit fallen. Die Arbeitsaufgabe kann als sinnhaftig empfunden werden, wenn sie für den Arbeitgeber hilfreich ist. Das kann beispielsweise sein, wenn ein Vertriebsmitarbeiter einen Verkauf abschließt und so direkt zur Wertschöpfung des Unternehmens beiträgt. Allerdings kann Bedeutsamkeit darüber hinaus auch für das persönliche Leben der Beschäftigten selbst relevant sein, wenn ihre Tätigkeit beispielsweise zu deren individuellen Purpose beiträgt. Die höchste Stufe von Bedeutsamkeit wird empfunden, wenn die Aufgabe zusätzlich zu all dem auch für das Leben anderer Menschen als sinnvoll erachtet wird.
Wieso psychologisches Empowerment so wichtig ist
Die Forschung liefert klare Belege dafür, dass ein hohes psychologisches Empowerment der Beschäftigten viele positive Konsequenzen mit sich bringt. Für die Beschäftigten selbst geht die Empfindung von psychologischem Empowerment mit einer höheren Zufriedenheit mit der Arbeit und einer empfundenen Stressreduktion einher. Weniger Stress wirkt sich wiederum positiv auf die Gesundheit aus. Beispielsweise berichten Personen mit hohem psychologischem Empowerment von weniger Burnout- und Depressionssymptomatik als Personen mit geringem psychologischem Empowerment. Außerdem fühlen sich Beschäftigte mit hohem psychologischem Empowerment stärker mit dem Unternehmen verbunden, für das sie arbeiten. Für den Arbeitgeber bringt das den Vorteil, dass psychologisch empowerte Beschäftigte typischerweise länger im Unternehmen bleiben. Weiterhin steigt die Proaktivität dieser Personen. Auch die Innovationsleistung von Unternehmen, dessen Beschäftigte sich psychologisch empowert fühlen, steigt an.
Psychologisches Empowerment fördern
Glücklicherweise ist psychologisches Empowerment sehr leicht und effizient mit einem Fragebogen messbar. Eine Messung von psychologischem Empowerment kann Aufschluss darüber geben, wie die vier Dimensionen in einem Team, einem Bereich oder einem ganzen Unternehmen ausgeprägt ist. Ist erst einmal klar, wie der Status Quo aussieht, können im zweiten Schritt Dimensionen ausgewählt werden, die im Verhältnis relativ gering ausgeprägt sind. Um diese Dimensionen gezielt zu fördern, können zahlreiche verschiedene Maßnahmen unternommen werden. In der Grafik sind einige Beispiele für die vier verschiedenen Dimensionen zusammengefasst:
Allerdings sollte bei der Maßnahmenplanung darauf geachtet werden, die Perspektive der Personen mit einzubeziehen, deren psychologisches Empowerment gefördert werden soll. Wesentlich ist nämlich, dass die betroffenen Personen die Möglichkeit haben, Vorschläge zu machen, was ihnen helfen kann, die entsprechende Dimension zu fördern. So kann vermieden werden, dass es sich um eine Maßnahme des strukturellen Empowerments handelt und die gewählte Maßnahme auch wirklich das psychologische Empowerment nachhaltig fördert.
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Quellen
Schermuly, C.C. (2022). New Work Utopia: Die Zukunftsvision einer besseren Arbeitswelt. Haufe.
Spreitzer, G. (1995). Psychological Empowerment in the Workplace: Dimensions, Measurement, and
Validation, The Academy of Management Journal, 38(5), 1442-1465.
Schermuly, C.C. (2023). New Work Dystopia: Scheitern im Wandel und wie es besser geht. Haufe.