01. September 2025
SelfCare für Führungskräfte als Schlüssel für StaffCare und Motivation #wirpackenesan
SelfCare first – Warum SelfCare für Führungskräfte der Schlüssel zu erfolgreicher Führung ist
„Klar ist mir die Gesundheit meiner Beschäftigten wichtig, da achte ich schon gut drauf! Bei mir selber? Naja, da sieht es meistens ein wenig anders aus…“ Und schon müssen wir einhaken: Denn SelfCare für Führungskräfte (manchmal auch als „Selbstfürsorge“ bezeichnet) ist nicht nur ein Trendbegriff, sondern eine zentrale Voraussetzung für gesunde und erfolgreiche Führung. Aber der Reihe nach …
Ähnliche Aussagen wie die oben genannte hören wir in unseren Trainings für Führungskräfte zum Thema „Gesunde Führung“ gar nicht selten. Für mich besonders eindrücklich war ein Workshop, in dem die teilnehmenden Führungskräfte einerseits ihre „SelfCare“ (auch: „Selbstfürsorge“), also den gesundheitsförderlichen Umgang mit sich selbst, und ihre „StaffCare“, also die gesundheitsförderliche Führung ihrer Teammitglieder, auf einer Skala visualisieren sollten. Das Ergebnis: Fast alle lagen bei StaffCare recht hoch – und bei der Selbstführsorge deutlich niedriger. Die Reaktion: ein gemischtes Gefühl aus Stolz („Ich bin für mein Team da“) und Erschrecken („Huch, für mich selber sieht das aber nicht so gut aus.“). Die entscheidende Frage, die daraus entstand: Ist SelfCare nur „nice to have“ – oder die Voraussetzung dafür, dass ich mein Team dauerhaft motivieren und leistungsfähig halten kann? Die Antwort aus der Forschung: ganz klar letzteres – Selbstfürsorge ist absolut essentiell!
Gesundheit und Selbstführsorge von Führungskräften als Motivationsfaktor
Gesundheit ist nicht nur Privatsache. Aus unternehmerischer Sicht ist sie eine zentrale Voraussetzung für Leistungsfähigkeit und Motivation – im Team und bei der Führungskraft selbst. Natürlich sind Führungskräfte nicht alleine und nicht primär für die Gesundheit ihrer Beschäftigten verantwortlich. Dennoch können schädliche Führungsverhaltensweisen gravierenden Einfluss auf die Gesundheit von Mitarbeitenden haben (z.B. Tepper, 2007) und anders herum können positives Führungsverhalten und Selbstfürsorge zu geringerem Stresserleben und einer besseren Gesundheit beitragen (z.B. Skakon et al., 2010).
Das Modell der Health-oriented Leadership (HoL) (Franke et al., 2015) beschreibt vier Wirkweisen gesundheitsförderlicher Führung:
- Direkter Einfluss, z. B. durch wertschätzende und offene Kommunikation, Unterstützung und konstruktives Feedback.
- Indirekter Einfluss durch Arbeitsgestaltung, z.B. mit Blick auf Rollenklarheit, Bedeutsamkeit der Aufgaben und Entwicklungsmöglichkeiten
- Eigene Betroffenheit von Stressoren wie Komplexität, Zeitdruck und hoher Arbeitsdichte und Umgang damit
- Vorbildfunktion mit Blick auf gesundheitsförderliches Verhalten
Der HoL-Ansatz betont, dass die Gesundheit von Mitarbeitenden weder ausschließlich vom eigenen Verhalten noch allein vom Führungsverhalten abhängt. Sie wird gemeinsam beeinflusst – durch StaffCare und durch die SelfCare (Selbstfürsorge) der Mitarbeitenden. Und: Die Selbstfürsorge der Führungskraft ist das Fundament für wirksame StaffCare und wirkt über die Vorbildfunktion direkt auf die Teamgesundheit.
Drei Dimensionen wirksamer SelfCare und StaffCare für Führungskräfte
Wichtigkeit: Welchen Stellenwert hat die eigene Gesundheit bzw. die der Beschäftigten für mich – auch im Vergleich zu anderen Dingen?
Erinnern wir uns an die Führungskräfte aus dem Anfangsbeispiel: Viele meinten in der Diskussion „Ja, prinzipiell ist das natürlich schon wichtig… Aber wenn viel los ist und wir Ergebnisse liefern müssen, dann muss die eigene Selbstfürsorge da halt mal zurückstecken.“
Achtsamkeit: Wie gut erkenne ich, ob ich mir oder meinen Teammitgliedern gerade zu viel zumute? Wie aufmerksam bin ich für meinen eigenen Gesundheitszustand und Warnsignale bei mir oder meinen Mitarbeitern?
Auch hier eine Anekdote aus der beschriebenen Trainingsgruppe: Wir sammeln Frühwarnzeichen, anhand derer die Führungskräfte erkennen könnten, wenn es zu stressig ist und sie eigentlich einen Gang runterschalten müssten. An der Wand stehen Dinge wie „Kopfschmerzen, Bauchweh, Gereiztheit, kurz angebunden, Schlaflosigkeit, ungeduldig, Tinnitus…“. Alle stehen schweigend davor bis jemand sagt „Hey Leute, das sind doch alles gar keine Frühwarnzeichen – wenn wir das merken ist es doch eigentlich schon viel zu spät!“.
Die Erkenntnis: üben, auch subtilere Signale festzustellen, zum Beispiel durch einen täglichen Ampel-Check-In beim Zähneputzen: War heute ein grüner Tag, ein gelber oder ein roter? – Bei Rot: sofort tätig werden mit Stressmanagementstrategien, bei gelb aufmerksam beobachten und gegensteuern.
Verhalten: Inwiefern unterstütze und motiviere ich Beschäftigte, sich gesundheitsförderlich zu verhalten? Und was tue ich selbst aktiv für meine Gesundheit? Wie sieht es bei mir mit der Selbstfürsorge?
Wieso ist nun vor allem Selbstfürsorge so wichtig? Durch sogenannte Crossover-Effekte können Führungskräfte ihren Stress an Beschäftigte weitergeben – weil sie selbst erschöpft sind und einfach nicht genug mentale Ressourcen haben, um sich gut um die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten zu kümmern (z.B. Köppe et al., 2018). Besonders eindrücklich: schon eine Nacht nicht erholsamen Schlafes kann am Folgetag destruktives Führungsverhalten begünstigen (Barnes et al., 2014).
SelfCare adé? Die Realität vieler Führungskräfte
Klingt logisch – und doch sieht der Alltag als Führungskraft oft anders aus, vor allem wenn es um die Selbstfürsorge geht. „Zum richtigen Arbeiten komme ich nach 18 Uhr, dazwischen ist nur Feuerlöschen.“ „Im Urlaub mache ich abends noch mal den Laptop auf – dann habe ich endlich Ruhe.“ Klingt vertraut? Führungskräfte sind vielen Stressoren ausgesetzt, der Alltag ist oft geprägt von Zeitdruck, hoher Komplexität und Arbeitsdichte. Der Stressreport 2019 zeigt: 58% der befragten Führungskräfte empfinden starken Termin- und Leistungsdruck sowie häufige Störungen/Unterbrechungen. Auch parallel laufende Kommunikationsprozesse und der Umgang mit Widerstand und negativen Emotionen stellen relevante Anforderungen dar (Thomson et al., 2018). Die hohen Anforderungen führen dazu, dass Führungskräfte häufig mehr arbeiten – nach Angaben des IFBG (2019) machen 60% der Führungskräfte oft oder immer Überstunden.
Wenn Motivation kippt – interessierte Selbstgefährdung statt Self-Care für Führungskräfte
Ganz platt gesagt: Wieso machen die das? Wieso setze ich mich als Führungskraft solchen Stressoren aus und lasse die Selbstfürsorge links liegen?
Viele Führungskräfte sind hoch motiviert. Sie erleben im Job Anerkennung, Sinn, Autonomie – alles wertvolle Ressourcen. Doch genau diese Motivation kann kippen: Wer immer mehr investiert, ohne genügend Erholung oder Ausgleich, landet schnell in einer Gratifikationskrise (Siegrist, 1996).
Ein wichtiger Faktor hier: die „interessierte Selbstgefährdung“: Aus eigenem Antrieb und oft mit Begeisterung werden Pausen gestrichen, Abende geopfert, Warnsignale ignoriert. Kurzfristig mag das funktionieren – langfristig zehrt es an den eigenen Ressourcen. Die Folge: weniger Energie, weniger Geduld, und weniger Ressourcen für StaffCare für das Team.
Also: SelfCare als Führungsaufgabe
SelfCare heißt nicht nur: ausreichend schlafen, sich gesund ernähren, bewegen, Pausen einlegen und aktive Erholung einbauen. Ganz im Sinne der Self-Determination Theory heißt es auch:
Positive soziale Beziehungen pflegen
Mitgestaltungsspielräume nutzen
Eigene Kompetenzen auf- und ausbauen
Führungskräfte, die Selbstfürsorge in den Arbeitsalltag integrieren, sind glaubwürdiger als Vorbild, haben mehr Energie für die Gestaltung gesunder Rahmenbedingungen – und können Belastungen besser abfedern.
Selbstfürsorge für Führungskräfte: Was Unternehmen tun können
Gesundheit in der Kultur verankern: Welche Geschichten, Normen und Vorbilder prägen das Verständnis von Leistung? Sehen wir Gesundheit als „nice to have“, Privatsache oder essenzielle Voraussetzung für Leistung? Ist Selbstfürsorge erwünscht?
Leistungsbewertung erweitern: Wird gesundheitsförderliches Verhalten von Führungskräften explizit anerkannt – oder nur „immer da sein“?
Führungskräfteentwicklung: SelfCare nicht nur „mitdenken“, sondern bewusst trainieren.
Praxistipps für Führungskräfte
Selbst-Check: „Würde ich einem Mitarbeitenden raten, so zu arbeiten wie ich?“
Mikro-Check-In einbauen: Morgens oder abends kurz reinhorchen „Wie bin ich gerade unterwegs – grün, gelb, rot?“
Schlaf und Erholung ernst nehmen: Kein „Luxus“, sondern Regenerationsgrundlage.
Delegieren üben: Nicht alles selbst machen – auch wenn es schneller ginge.
Signale setzen: Gesundheit offen thematisieren – auch die eigene.
Fazit
Motivierte, gesunde und leistungsfähige Teams entstehen nicht zufällig – Führungskräfte, die bewusst sich selbst und ihr Team gesundheitsförderlich führen und Selbstfürsorge in den Arbeitsalltag integrieren, können hier einen bedeutsamen Einfluss haben.
Gesund führen heißt: Für andere da sein – und dabei bei sich selbst anfangen. SelfCare ist keine Nebensache, sondern die Basis, auf der StaffCare überhaupt wirksam werden kann.
Mehr zum Thema interessierte Selbstgefährdung und wie man einen guten Umgang findet, gibt es in unserer Podcastfolge mit Christiane Stempel: Jetzt anhören.
SelfCare für Führungskräfte FAQ: Das Wichtigste in Kürze
Was bedeutet SelfCare für Führungskräfte?
SelfCare meint den gesundheitsförderlichen Umgang mit sich selbst. Für Führungskräfte heißt das: Bedürfnisse ernst nehmen, Belastungen erkennen und mit Strategien wie Pausen, Bewegung oder Schlaf ausgleichen.
Was versteht man unter StaffCare?
StaffCare bezeichnet gesundheitsförderliche Führung von Mitarbeitenden – etwa durch wertschätzende Kommunikation, klare Rollen, realistische Ziele und gute Rahmenbedingungen.
Wie hängen SelfCare und StaffCare zusammen?
Das Health Oriented Leadership Model zeigt: SelfCare und StaffCare wirken gemeinsam. Wer gut für sich sorgt, hat mehr Ressourcen und wirkt als Vorbild für das Team.
Warum ist SelfCare für Führungskräfte wichtig?
Fehlende Erholung oder Schlafmangel können destruktives Führungsverhalten begünstigen. SelfCare reduziert eigene Belastung und schützt das Team vor negativen Crossover-Effekten.
Wie können Unternehmen SelfCare fördern?
Indem sie Gesundheit in der Kultur verankern, gesundheitsbewusstes Führungsverhalten anerkennen und gezielt in Führungskräfte-Entwicklung integrieren.
Quellen:
Barnes, C. M., Lucianetti, L., Bhave, D. P., & Christian, M. S. (2015). “You wouldn’t like me when I’m sleepy”: Leaders’ sleep, daily abusive supervision, and work unit engagement. Academy of Management Journal, 58(5), 1419–1437. https://doi.org/10.5465/amj.2013.1063
Franke, F., Ducki, A. & Felfe, J. (2015). Gesundheitsförderliche Führung. In J. Felfe (Hrsg.), Trends in der psychologischen Führungsforschung (S. 253-264). Göttingen: Hogrefe.
Köppe, C., Kammerhoff, J., & Schütz, A. (2018). Leader-follower crossover: Exhaustion predicts somatic complaints via StaffCare behavior. Journal of Managerial Psychology, 33(3), 297–310. https://doi.org/10.1108/JMP-10-2017-0367
Skakon, J., Nielsen, K., Borg, V. & Guzman, J. (2010). Are leaders’ wellbeing, behaviors, and
style associated with the affective well-being of their employees? A systematic review of
three decades of research. Work & Stress, 24, 107-139. doi: 10.1080/02678373.2010.495262
Tepper, B. J. (2007). Abusive supervision in work organizations: Review synthesis, and research agenda. Journal of Management, 33, 261–289. doi: 10.1177/0149206307300812
Thomson, B., Rank, J., Gerstenberg, S. & Ulland, N. (2018). Qualifizierungstools für Führungskräfte und Betriebsräte bei betrieblichen Restrukturierungen (1. Auflage). Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.